Bringt man als sehende Person einem blinden Nutzer das Surfen im Internet bei, bzw. man arbeitet gemeinsam mit einer blinden Person im Internet zusammen, gibt es einige wichtige Aspekte zu berücksichtigen. Denn: Das Surfen im Internet stellt sich für einen Nutzer mit einem Screenreader gegenüber einem sehenden Anwender anders dar.
Aufbau von Webseiten
Anders als für sehende Personen, für die Webseiten visuell meist sehr ansprechend gestaltet sind – Menüs befinden sich oft auf der linken Bildschirmseite, in der rechten Spalte findet man häufig Zusatzinformationen, das Suchfeld befindet sich zentral über dem Hauptbereich – ist eine Webseite für einen blinden Anwender horizontal aufgebaut. D. h. der Screenreader setzt die Bausteine „Menü“, „Suchfeld“, „zusätzliche Infos“ oder den „zentralen Hauptbereich“ untereinander dar. Je nachdem wie eine Webseite programmiert ist, kann die Reihenfolge variieren, in der der Screenreader die Informationen abgreift und darstellt. Davon bekommt der sehende Anwender jedoch nichts mit.
Weit verbreitet sind Webseiten, die zunächst ein oder mehrere zentrale Menüs dem blinden Anwender anzeigen, gefolgt von dem Hauptbereich, in dem der zentrale Inhalt der Webseite dargestellt wird. Anschließend werden mögliche Zusatzinformationen oder ein Suchfeld angezeigt. Solch eine Struktur begegnen Nutzer von Screenreadern häufig, aber natürlich ist nicht jede Webseite nach dem oben beschriebenen Schema aufgebaut.
Wichtige Navigationsbefehle
für einen blinden Nutzer entspricht die grundlegende Navigation auf einer Webseite überwiegend der Navigation in einem Worddokument. Dabei gibt es keine großen Unterschiede, ob man JAWS oder NVDA als Screenreader einsetzt. Die Unterschiede findet man im Detail, so sind z. B. manche Tastenkurzbefehle anders oder die Darstellung von Tabellen unterscheiden sich leicht voneinander.
Mit den Pfeiltasten AUF/Ab navigiert man zeilenweise durch die Webseite, mit STRG+POS1, bzw. STRG+ENDE springt man an den Anfang, bzw. an das Ende der Webseite. Absatzweise durch einen Text navigiert man mit dem Tastenkürzel STRG+AUF/AB.
Der Screenreader liest bei der Navigation alle Objekte, wie z. B. Überschriften, Listen, Regionen, Tabellen, Formularfelder und Bilder vor. Um bei komplexen Webseiten schnell an das gewünschte Ziel zu gelangen, stehen dem blinden Anwender in allen aktuellen Screenreadern sogenannte Schnellnavigationstasten zur Verfügung, die es erlauben bestimmte Objekte, wie z. B. eine Überschrift, Liste oder Tabelle gezielt anspringen zu können. Diese Funktion ähnelt sehr der Navigation mit den Navigationsschnelltasten in einem Worddokument. Die Navigationstasten sind jedoch im Internet standardmäßig aktiv und müssen nicht gesondert – wie in Microsoft Word – aktiviert werden.
Wichtige Schnellnavigationstasten vom JAWS
Um schnell bestimmte Objekte, wie z. B. Überschriften, Listen, Tabellen oder Bilder anspringen zu können, reicht oftmals ein Tastendruck aus. Die Schnellnavigationstasten sind in fast allen Fällen in allen gängigen Screenreader gleich und können in der jeweiligen Hilfe nachgeschlagen werden. Beim Surfen haben sich folgende Schnelltasten als hilfreich erwiesen:
Hinweis: die folgenden Befehle sind für den Screenreader JAWS. Weitere Screenreader, wie z. B. NVDA oder Narrator nutzen in den meisten Fällen die gleichen Tastenbefehle.
- H: springt zur nächsten Überschrift
- JAWS+F7: Erstellt eine Linkliste. Nachdem mit AUF/AB ein Link ausgewählt wurde, wird er mit EINGABE aktiviert.
- JAWS+F6: Erstellt eine Überschriftenliste. Nachdem mit AUF/AB die gewünschte Überschrift ausgewählt wurde, gelangt man mit EINGABE an die gewünschte Stelle.
- 1-6 springt zur gewünschten Überschriftsebene
- T: springt zur nächsten Tabelle
- L: springt zur nächsten Liste
- I: springt zum nächsten Listenelement
- G: springt zum nächsten Bild
- R: springt zur nächsten Region
- Q: springt zur Hauptregion
- E: springt zum nächsten Eingabefeld
- F: springt zum nächsten Formularobjekt (= Eingabefeld, Schalter, Ausklappliste, Kontrollfeld)
- B: springt zum nächsten Schalter
- TAB: springt zum nächsten Link
Tipp: Wird UMSCHALT zu den oben genannten Tasten gedrückt, wird das vorhergehende Objekt angesprungen.
Der Formularmodus
Möchte man Text in ein Eingabefeld eingeben, bzw. es muss ein komplettes Formular ausgefüllt werden, Sollte man mit dem Umgang des Formularmodus vertraut sein. Direktes Schreiben in ein Eingabefeld ist aufgrund der Schnellnavigationstasten nicht möglich.
Sobald ein Formularelement, wie z. B. ein Eingabefeld den Fokus besitzt, kann mit EINGABE der Formularmodus (= Schreibmodus) aktiviert werden. Anschließend kann mit der Tastatur Text eingegeben werden. Hat man die Eingabe beendet, wird der Formularmodus mit der Taste ESCAPE deaktiviert. Alternativ beendet die Eingabe auf einen Schalter, wie z. B. „Anmelden“ den Formularmodus. Muss man ein komplettes Formular ausfüllen, gelangt man mit TAB in das nächste Formularelement.
Das Verhalten bei Formularen ist bei den meisten Screenreadern gleich oder sehr ähnlich. Häufig besitzen sie nur andere Bezeichnungen für den Formularmodus, aktiviert wird er jedoch meist mit EINGABE und wird mit ESCAPE beendet.
Viele Screenreader haben seit einiger Zeit auch einen automatischen Formularmodus, dieser aktiviert sich automatisch, sobald man z. B. über ein Eingabefeld navigiert. Sobald man weiter Pfeil AB drückt, wird der Formularmodus deaktiviert. Das Aktivieren, bzw. Deaktivieren des Formularmodus wird bei JAWS und NVDA über ein Hinweiston signalisiert.
Manche Anwender bevorzugen den automatischen Formularmodus, manche möchten jedoch lieber den manuellen Formularmodus verwenden. Den Gewünschten Modus kann man jeweils beim Screenreader in den Einstellungen festlegen:
- Bei JAWS findet man die entsprechenden Optionen in den Hilfseinstellungen > Einstellungsverwaltung > Formularmodus.
- Bei NVDA findet man die gewünschten Einstellungen unter Optionen > Einstellungen > Lesemodus. Hier muss für das deaktivieren des automatischen Formularmodus das Kontrollfeld „Bei Fokus-Änderungen automatisch den Fokusmodus einschalten“ deaktiviert werden.
PWA und die Screenreader-Nutzung
Eine besondere Herausforderung stellen sogenannte progressive Web Apps (PWA) dar. Darunter versteht man einen programmähnlichen Aufbau einer Webseite, den man von installierten Programmen her kennt. Ein klassisches Beispiel sind die Webanwendungen von Google (Google Docs und Tabellen). Für einen blinden Anwender ändert sich die Bedienung völlig. Sie entspricht viel mehr einer Bedienung in einem klassischen Programm, wie z. B. Microsoft Word.
Ausführliche Informationen zum Umgang von Web Apps bieten die folgenden Artikel:
Weitere Hinweise zum Umgang mit dem Internet
- Oft stellt man sich die Frage, welchen Webbrowser man für das Surfen verwenden soll. Erfahrungen haben gezeigt, dass der Google Chrome oder inzwischen auch der Microsoft Edge am besten mit den aktuellen Screenreader zusammen funktioniert.
- Es sollte immer die aktuellste Version des Screenreaders eingesetzt werden, da nur hier die Unterstützung moderner Webtechnologien optimal integriert sind.
- Wichtige Tastenkombinationen für den Umgang mit dem Browser sollten für ein effektives Surfen dem blinden Nutzer bekannt sein:
- STRG+T: öffnet einen neuen Tab
- STRG+W: schließt den aktuellen Tab
- STRG+TAB: zwischen offenen Tabs wechseln
- STRG+L: springt in die Adressleiste
- F5: Webseite neu laden
- Manchmal kommt es vor, dass der Screenreader den Fokus verliert. Am einfachsten wechselt man mit ALT+TAB das Browserfenster und springt erneut mit ALT+TAB wieder zurück. Ist immer noch keine Navigation auf der Webseite möglich, sollte man sich versichern, dass man sich noch im Webseitenbereich aufhält und sich nicht in der Adressleiste oder in der Favoritenleiste verirrt hat. Mit der Taste F6 springt man z. B. im Google Chrome zwischen dem Inhalt der Webseite, der Adressleiste, der Favoritenleiste und der Anzeige der geöffneten Tabs hin und her.